Mit den beiden Putzfrauen-Figuren „Mariele“ und „Karlene“ gelang Petra Binder und Doris Reichenauer ein Turboaufstieg in der süddeutschen Kabarett-Landschaft. Heute sorgen die Künstlerinnen des schwäbischen Duos „Dui do on de Sell“ kontinuierlich für ausverkaufte Hallen und johlende Zuhörer. In ihrem Programm „Das Zauberwort heißt BITTE!“ lassen die beiden scharfzüngigen Damen aus dem Ländle die Kittelschürzen nun hinter sich und wenden sich den dunklen Seiten der Gesellschaft zu: Dem Leben in der schwäbischen Kleinstadt.
Beim kabarettistischen Blick durch anderer Leute Küchenfenster fördern die beiden Natternzungen alles zutage, was sonst säuberlich hinter wackelnden Vorhängen verborgen bleibt: Nörgelnde Ehemänner, die nur deshalb noch da sind, weil ihre Kofferpack-Inkompetenz sie vor dem Rauswurf bewahrt hat. Söhne mit dem Modeverständnis eines New Yorker Straßengangsters. Töchter, die als Freund gleich einen bedrohlich tätowierten Glatzkopf anschleppen. Verzweifelte Versuche, mittels Yoga den fortschreitenden körperlichen Verfall aufzuhalten. Und dann noch die Angst vor verfrühten Oma-Freuden, weil der unter digitaler Demenz leidende Sprössling das mit der Verhütung nur noch hinbekommt, wenn man ihm die Sache anhand von Internet-Metaphern erklärt. Gott sei Dank gibt es die beste Freundin, mit der man alles emotional per Kampftratsch-Therapie aufarbeiten kann – und die alles zielsicher zur Nachbarin weiterträgt, was man unter dem Prädikat „bloß nicht weitersagen“ preisgegeben hat.
„Das Zauberwort heißt BITTE!“ ist eine geniale Mischung aus skrupellos-unterhaltsamer Gesellschafts-Abrechnung und warmherziger Lebensbetrachtung. Petra Binder und Doris Reichenauer geben dabei auf brillante Weise die schwäbische Variante der Desperate Housewives: Harmlose Glitzerfassade mit High-Heels und Kroko-Handtäschchen – doch wehe, was dahinter kommt. Mit der Schlagfertigkeit einer Baseball-Keule und dem Instinkt eines Trüffelschweins gewähren die beiden Mundart-Virtuosinnen von „Dui do on de Sell“ einen hintersinnigen Einblick in die Abgründe der modernen Schwaben-Welt. Und dieser ist ebenso erheiternd wie gruselig. Das Publikum darf in dieser verbalen Kampfhandlung Zuhörer und Sparring-Partner in einem sein. Vor allem aber wird es in den Klauen der beiden sympathischen Schwertgoschen zum Ziel erbarmungsloser Attacken auf die Lachmuskeln. Der Big-Brother-Container wird beim Parforce-Ritt der beiden Damen so überflüssig wie der Gang zum Therapeut. Denn die Kreuzung aus Lästerstunde und Comedy-Talk ist unheimlich belebend, grandios unterhaltsam und vor allem: herrlich authentisch.